Jutta Immenkötter – Sota el cel
25. März bis 29. Mai 2010
Galerie Esther Montoriol, Barcelona
Mit „Sota el cel“ ist die Ausstellung von Jutta Immenkötter betitelt, die einen spannenden Einblick in das aktuelle Schaffen der Künstlerin ermöglicht. Textile Objekte treten in einen subtilen Dialog mit der zeichnerischen Syntax der gezeigten Papierarbeiten. Jedes Einzelblatt, aber auch jede Skulptur hat einen ausgewählten Ort in der Konstellation des Raumes, so dass der Blick des Betrachters frei zwischen Bildern und Objekten schweifen und Bezüge herstellen kann.
Die Arbeitsweise von Jutta Immenkötter ist geprägt von einer Beobachtung und Aneignung der unmittelbaren Alltagswelt. Ihre Aufmerksamkeit konzentriert sich dabei auf Details oder Ausschnitte. In den Zeichnungen und Objekten reduziert und verdichtet Immenkötter die sie umgebenden Welt zu abstrahierten Formengebilden, die losgelöst vom abbildhaften Zusammenhang immer wieder auf konkrete Sinnzusammenhänge verweisen, aber dennoch ein fast surreales Eigenleben führen können.
Ausgangspunkt für die Skulpturen sind alltägliche Gegenstände, die in Proportion und Material verändert und im Raum inszeniert werden. Die textilen Objekte sind schon allein durch die verwendeten Materialien - glänzende Stoffe mit changierender, farbiger Oberfläche - in eine eigene ästhetische Ordnung überführt. So wirken möbelartige Gebrauchsgegenstände oder pendelartige, tropfenförmig von der Wand hängende Formen plötzlich instabil und sinnentleert durch die weich Materialität. Der textile Werkstoff transformiert das Elementare, dessen Form und Funktion in überraschend suggestive Objekte: Das Alltägliche wirkt fremd und ist nur teilweise in äußeren formalen Merkmalen wiedererkennbar - wie in einer fernen Erinnerung. Die vorstrukturierte Alltagswelt in ihrer Banalität, die Qualität und die Bedeutung von Objekten wird in Frage gestellt. Die Verwandlung zeigt neue Facetten auf und zeigt die Dinge als etwas Surreales, das in ihrer Struktur verborgen ist.
Dieses Schwanken zwischen Symbolik und Abstraktion, Stilisierung und offener Interpretation lässt sich auch an den Zeichnungen beobachten, an denen Immenkötter mit ungebremster Kreativität und Energie arbeitet. Während die meisten Arbeiten keinen Titel führen, ist eine größere Gruppe neuer Zeichnungen mit „Alice“ betitelt – eine Anspielung auf das gleichnamigen Buch der Schriftstellerin Judith Hermann, die vom Umgang der Titelheldin Alice mit dem Tod und mit den Hinterlassenschaften der Gestorbenen erzählt.
Generell bedeutet der Akt des Zeichnens Neuland betreten, Raum erkunden, mit der Begrenzung des Blattes und gegen das Format arbeiten. Mit Gouache, Wachskreide, Tusche, Filz- oder Buntstift bearbeitet sie unterschiedliche Formate und begibt sich auf die Suche nach Formen. Daneben kommt immer wieder auch dem Körper, seinen Haltungen oder Befindlichkeiten, oder seinen Stellvertretern, den Kleidern, die als Hülle von ihm sprechen, Aufmerksamkeit zu. Von Hand gezogene, vertikal, horizontal und diagonal über das Papier verlaufende Linien spannen fragile Gewebe aus Linien und Zwischenräumen auf oder lassen kantige sowie gerundete Formengebilde entstehen. Kraftfelder aus aufgespannten Strichen drängen an die Ränder des Blattes heran, enden an den Grenzen des Papiers und bewahren die Spuren ihrer Entstehung. Dabei ereignen sich auch malerische Momente, nicht zuletzt durch die Materialität der Farben, die mit den Oberflächen der Objekte korrespondieren.
Das zeichnerische Verfahren ist ein Mittel, Raum und Zeit in eine Struktur zu überführen, diese zu formen und sichtbar zu machen. Auch in den skulpturalen Arbeiten geht es darum, Raum zu schaffen, nicht zuletzt im Bewusstsein des Betrachters. Die Arbeiten verbindet dieses Interesse an einer Neudefinition von Form und ihrer Transformation in den alltäglichen Raum. Letztlich übersetzt Jutta Immenkötter die umgebende Welt in eine eigene visuelle und ästhetische Sprache, die die Grundbedingungen der Entstehung von Kunst selbst auslotet.
Patricia Drück